Aquarium/Altstadt 22

Das Aquarium: Obwohl Februar war es so angenehm draußen, dass schon „Gastgartenbetrieb“ war – es ist auch ein wunderbarer Platz  mitten in der Altstadt. Ich habe die schöne Auswahl an Bier und offenen Weinen ausgelassen und mich für eine hausgemachte Grapefruit- Rosmarin-Limonade entschieden, sehr emfehlenswert!

In dem markanten Erkerhaus des „Aquarium“ war einst der Gasthof „Zum Schwarzen Bock“. Hier wurde  1868  in einem „Fremdenzimmer“ eine der großen Burgschauspielerinnen geboren: Hedwig Bleibtreu. Ihre Karriere begann mit einer Rolle in „Der Verschwender“ am Theater an der Wien – damals war sie vier Jahre alt. Von 1893 bis zu ihrem Tod 1958 gehörte sie zum Ensemble des Burgtheaters. Als sie 1948 die Rolle der Vermieterin im Kultfilm »Der dritte Mann« annahm, konnte sie bereits auf eine mehr als 50 Jahre dauernde Schauspielerinnenkarriere mit gut 300 Rollen zurückblicken – eine Gedenktafel am HAus erinnert an sie.

Der „Schwarze Bock“ steht auch noch für eine andere Persönlichkeit: Anton Bruckner hat hier gerne (und oft) in seinen Linzer Jahren gegessen. Das Haus Altstadt 22 war nicht nur zu Bruckners Zeiten „Der Schwarze Bock“ und der Geburtsort von Hedwig Bleibtreu, sondern auch für Leophine Tröbinger der Ort, an dem sie ihr halbes Leben verbrachte. Ihre Enkelin erzählt, wie sie als Kind das Haus, in dem die Oma wohnte, erlebt hatte:

Leophine hatte zuerst Pech, dann Glück. Sie stammte aus Schlesien, heiratete und zog mit ihrem Mann und dem kleinen Sohn nach Reichraming. Dort begann der Krieg und ihr Mann fiel bereits nach kurzer Zeit. Ihr Glück war, dass sie ein Herr Tröbinger, ein höherer Beamter der Bahn aus Linz, kennen- und liebenlernte. Sie heirateten bald nach dem Krieg und konnten es sich leisten, Anfang der 50er Jahre eine Wohnung zu kaufen – das Haus in der Altstadt 22 war beträchtlich beschädigt worden und der Wohnteil wurde daher neu gebaut. Im hinteren Teil des Hauses, in der Altstadt 22a zog die Familie Tröbinger ein. Es war eine kleine 56 m²-Wohnung beheizt durch Kohleöfen, aber, da quasi ein „Neubau“ bereits mit Bad und Toilette. Damals war der Blick hinten hinaus zum Tummelplatz noch frei, man konnte etwa den Gautschfeiern der Buchbindergesellen beim Brunnen am Tummelplatz zusehen.

Die Enkelin verbrachte Ende der Sechziger/ Anfang der Siebziger  Jahre viel Zeit bei der Oma und lernte die BewohnerInnen kennen. Etwa die Familie eines Musikinstumentebauers, die wenig Geld hatte und daher aus den Köpfen und Füssen der Hendln die Suppe kochte. Ihr grauste immer, da sie die Teile aus dem Einkaufskorb herausschauen sah, besonders schlimm war es, wenn die Oma ihr drohte: „Wennst bei mir nix isst, musst zu denen Suppe essen gehen!“

Oder die alte Frau Noah, die im obersten Stock wohnte und ihre Einkäufe immer unten stehen ließ – jeder der hinauf ging, nahm den Korb bis zur Etage seiner Wohnung mit, irgendwann war er dann oben bei der Wohnung der Frau Noah.

Spannend auch eine etwas ältere gewerbliche Dame, die Josefine hieß und unter der Wohnung der Großmutter lebte. Da beide „Finerl“ gerufen wurden, läuteten Verehrer schon mal falsch an – sehr zum Ärger der Oma! Prostituierte waren in der Altstadt damals häufiger auf der Straße anzutreffen. Die Frage der Enkelin, der die damals unüblich stark geschminkten und frisierten Damen aufgefallen waren, was die da täten, beantwortete die Großmutter wahrheitsgemäß: „ Die warten auf wen!“

Parkplätze waren damals nicht so rar, für einen Regierungsrat der Landesregierung und den Besitzer des Aquariums gab es sogar einen reservierten Parkplatz im Hof. Das Aquarium war damals ein gut besuchtes Lokal, vor allem von Reportern der OÖ Nachrichten und Beamten der Landesregierung, da sich deren Arbeitsplätze in der Nähe waren.

Vieles hat sich seither verändert, die Geschäfte des täglichen Bedarfes (Markthalle, Fleischhauer, Bäcker) sind verschwunden, wie in vielen anderen Innenstädten auch. Zum Glück ist auch viel Neues in den letzten 50 Jahren entstanden – nur das Aquarium, das gibt es immer noch.

1 Kommentar zu „Aquarium/Altstadt 22“

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